Sie sind hier: Probleme ⇒ Denkblockaden und Ignoranz
Es macht nicht wirklich Sinn,
um den heißen Brei herumzureden.

a) Ein Überfliegen der Nachhaltigkeitsstrategie läßt ahnen, dass da irgend etwas nicht stimmt. In der Tat, die vollmundigen Bemerkungen wie, „es gehe um alles“ oder „ein grundsätzlicher Wandel sei erforderlich“ (siehe Rubrik Notwendigkeiten) werden weichgespült mit Hinweisen darauf, was schon alles getan werde und noch geplant sei; und Deutschland habe „die Chance zu beweisen, dass Wohlstand und eine konsequente Befolgung des Leitprinzips der Nachhaltigkeit langfristig Hand in Hand gehen können“ (Nachhaltigkeitsstrategie 2016 S. 23).

b) Unser Lebensstil ist ja nicht deswegen so zerstörerisch, weil wir so immensen Aufwand für Ausbildung, Pflege und Unterstützung Benachteiligter haben. Er ist es vielmehr wegen der im Globalen unsichtbar werdenden Ausbeutung und der stofflichen Umsätze, welche die Produktion für unseren Konsum mit sich bringen. Die seitenfüllenden Darstellungen in der Strategie über Aktivitäten, welche die Bundesregierung, Unternehmen und gesellschaftliche Gruppen durchführen oder planen, beschreiben nützliche Änderungen. Sie sind aber weit davon entfernt, der Einschätzung auch nur annähernd gerecht zu werden, dass es „um nicht weniger als um alles“ (siehe Rubrik Notwendigkeiten) geht.

c) Unser Lebensstil benötigte – wollten ihn alle Menschen pflegen – mehr als zwei Erden. Mit Umstellungen auf Kreislaufwirtschaft, Produkten aus dem Nahbereich, technischen Innovationen und ähnlichen sinnvollen Vorschlägen allein ist die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen nicht aufzuhalten.

Eine chancenreiche Strategie wird vorgetäuscht

In seiner Stellungnahme zum Entwurf der Nachhaltigkeitsstrategie hat Stefan Brunnhuber darauf hingewiesen, unter welchen Beschränkungen die Debatten um Lösungen zum Einleiten einer nachhaltigen Entwicklung stehen. Die jetzt vorgelegte Strategie läßt nicht erkennen, dass dieser Hinweis ernst genommen wurde. Zur Verdeutlichung ein Auszug aus Stefan Brunnhubers dreiseitigem Beitrag:

„Nahezu alle Erzählungen, die von einem nachhaltigen Zusammenleben im Anthropozän berichten, folgen diesem vierteiligen Narrativ von Demographie – Wachstum – Technik – Governance.

 

Keiner der vier Strategien ist freilich falsch und alle vier sind wichtig, aber alle vier zeigen, dass die Deutungshoheit über unsere Zukunft vor allem durch die Ergebnisse der Ökonomie, der Epidemiologie, den Ingenieurwissenschaften und der Rechtswissenschaften hinreichend bestimmt wird. Damit wird von Anfang an der Argumentationspfad festgelegt, innerhalb dessen Lösungsvorschläge sichtbar werden. Das Standardargument lautet folglich: In dem wir weiter expansiv ökonomisch wachsen und den Zuwachs intelligent verteilen, eine gesteuerte Bevölkerungspolitik verfolgen, den Einsatz von erneuerbaren Technologien unterstützen und stabile – demokratische –, auf Gewaltenteilung aufgebaute und transparente faire Regeln vorliegen, werden wir das 2-Grad Ziel erreichen, unseren Wohlstand fair verteilen bzw. in einen nachhaltigen Entwicklungspfad einmünden, der die geoökologischen Grenzen respektiert. Für alle vier Bereiche gelten jedoch von Anfang an eine Reihe von empirischen Einschränkungen:“ (zum vollständigen Beitrag) Falls der Link zum Server der Bundesregierung nicht funktioniertStefan Brunnhuber

Auch andere Stellungnahmen führten zu keinen adäquaten Änderungen des Entwurfs (einige Beispiele)

Rat für nachhaltige Entwicklung

S. 1: „Der Entwurf geht dabei allerdings allzu oft den Weg des geringsten Widerstandes. Wo grundlegende Änderungen erforderlich sind, bleibt er bei moderaten Anpassungen. Wo diese in die richtige Richtung weisen, sind sie nicht konsequent. Wo die Nachhaltigkeitsstrategie bisher nicht erfolgreich war, bedeuten sie Stillstand und vergebene Chancen. Wo Zielkonflikte augenfällig sind, thematisiert sie diese nicht oder zu wenig und vermag so die Menschen nicht mitzunehmen oder, schlimmer noch, sie nährt damit populistische Vorbehalte.“

S. 10: „Vor diesem Hintergrund müssen Grenzen des Wachstums innerhalb Deutschlands thematisiert und Export- und Importstrategien einer kritischen Überprüfung unterzogen werden.“ (zur vollständigen Stellungnahme)
Falls der ursprüngliche Link zum Server nicht funktioniertRat für nachhaltige Entwicklung

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Verbraucherzentrale Bundesverband

S. 4-5: „… Hier müssen übergeordnete Ziele (z. B. Klimaschutz durch Dekarbonisierung) verankert und eine klare Abkehr vom Dogma des rein quantitativen Wirtschaftswachstums ausgesprochen werden. Sucht man den Begriff „Effizienz“, stößt man auf 70 Treffer in der NHS. „Suffizienz“ und „Konsistenz“ ergeben jeweils Null Treffer.“ (zur vollständigen Stellungnahme)

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Misereor

S. 2: „Wenn es „um nicht weniger als um alles geht“, wie die Bundesregierung selbst formuliert hat, dann ist das Ambitionsniveau an vielen Stellen der NHS noch zu schwach.
Mit Sorge sehen wir, dass die NHS kaum Selbstkritik am bestehenden deutschen Wachstums- und Wohlstandsmodell enthält.“

S. 3: „…Impuls für einen tiefgreifenden Wandel unserer Wirtschaft und unseres westlich geprägten Konsum- und Produktionsverhaltens bieten.“

„2. Wer über Armut und Ungleichheit redet, sollte über Reichtum nicht schweigen!“

„Aus Sicht von MISEREOR müssen vor allem die negativen Auswirkungen unseres Wirtschaftens und Handelns auf die Lebensbedingungen der Menschen in anderen Teilen der Welt minimiert und unser ökologischer Fußabdruck reduziert werden.“ (zur vollständigen Stellungnahme)

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Diakonie

S. 2: „2. Vor dem Hintergrund christlicher Werte sowie der Erkenntnis, dass in einer endlichen Welt ein unendliches Wachstum nicht möglich ist und zu Raubbau und Übernutzung der natürlichen Lebensgrundlagen sowie zur Zerstörung der Schöpfung führt, ist die Rolle, die dem Wirtschaftswachstum als Wert an sich an einigen Stellen der NHS zugeschrieben wird (z.B. S. 14) zu überdenken. Es ist deutlicher herauszuarbeiten, wo weiteres Wachstum möglich und nötig ist und in welchen Branchen es die eigenen Nachhaltigkeitsziele konterkariert. Die NHS sollte dabei nicht hinter den konsentierten Teil des Abschlussberichts der Enquête-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ zurück fallen.“ (zur vollständigen Stellungnahme)

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WBGU (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung – Globale Umweltveränderungen)

S. 2: „Das Konzept der planetarischen Leitplanken wird im bisherigen Entwurf der Nachhaltigkeitsstrategie nicht oder als planetare Grenzen bzw. Belastungsgrenzen nur kursorisch benannt.!“ (zur vollständigen Stellungnahme)

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plant values

S. 4: „Allerdings ist die Aussage der Bundesregierung zu undifferenziert und impliziert beim Leser, dass unser Wirtschaftssystem sich komfortabel weiterentwickeln kann und dabei ein nachhaltigerer Zustand erreicht wird.
Diese Implikation ist leider falsch, da falschherum gedacht.“

S. 5: „‚Nachhaltigkeit ist ohne Wachstum nicht zu erreichen‘ (S. 14) Diese Aussage der Bundeskanzlerin führt das Prinzip Nachhaltigkeit ad absurdum. ….“

„Wenn die Bundeskanzlerin an der Aussage festhalten will, fordern wir den Mut unsere Wirtschaftsweise anzugreifen, die materielle Produktion einzuschränken und stärker neue Konzepte in Form von immateriellen Dienstleistungen zu fordern.“

S.14: „Um unserer globalen Verantwortung entlang Lieferketten nachzukommen, bedarf es strengerer Auflagen hinsichtlich der Prüfung und Einhaltung von Mindestanforderungen in gesellschaftlicher und ökologischer Hinsicht. Wir fordern die Bundesregierung auf, Ziele zu setzen, die solche Auflagen enthalten, wenn sie es ernst meint die Bedingungen entlang Lieferketten zu verbessern.“ (zur vollständigen Stellungnahme)